Wie gehen Städte wie Melbourne, Salzburg oder Innsbruck mit wohnungslosen Menschen um?

Es gibt Paralellen, warum Menschen in diesen Städten wohnungslos werden und wie die Stadtverwaltungen mit ihnen dann umgehen. In Rankings der lebenswertesten Städte sind diese Kommunen ganz weit vorne, allerdings können sich immer mehr Menschen die Wohnungen dort nicht mehr leisten.

Hauptgründe für die stark steigenden Wohnkosten sind offenbar die zunehmende Wohnungsspekulation und damit verbunden die Zweckentfremdung und der Leerstand von Wohnraum. Statt die Ursachen dieser Kostensteigerungen zu bekämpfen, werden oftmals jene Menschen bekämpft, die sich diese Wohnungen nicht mehr leisten können.

TICKER: Melbourne geht gegen Obdachlose vor

Originalartikel von Urs Wälterlin, derStandard, 16.2.2018

  • Melbourne gilt als eine der lebenswertesten Städte der Welt. Das gilt allerdings nur für Menschen, die sich dort das Wohnen und Leben leisten können.
  • Innerhalb von zwei Jahren ist die Zahl der Wohnungslosen um 80 Prozent gestiegen.
  • Wegen Spekulation und Steuerbegünstigungen für Immobilienbesitz ist Melbourne mitllerweile eine der teuersten Städte der Welt geworden.
  • Die Stadtverwaltung hat die Polizei angewiesen, gegen Obdachlose „frühzeitig zu intervenieren“.
  • Gegen ein sogenanntes Obdachlosenprotokoll, das Wohnungslose kriminalisiert, hatten sich sogar die Vereinten Nationen zu Wort gemeldet.
  • Der minimale Besitz von Wohnungslosen wird oft von der Verwaltung beschlagnahmt und damit das Überleben armer Menschen erschwert.

Kommentar

Bettler schläft im Schlafsach in einer UnterführungVorab eine Frage: Stellen Sie sich vor, sie wohnen in der Stadt Salzburg. Bis zum Jahresende wären plötzlich 4.000 Menschen obdachlos, weil sie die hohen Mieten nicht mehr bezahlen können.

Diese Menschen streifen tagsüber durch die Stadt und suchen in der Nacht irgendwo einen Unterschlupf. In Unterführungen, in Hausnischen, in Abbruchhäusern. Und unter diesen Menschen ist ein Mitglied Ihrer Familie, eine Freundin, ein guter Bekannter: Was würden Sie tun?

Wer den Originalbeitrag im Standard liest, wird an manche Aktionen in österreichischen Städten erinnert. Und an die neue Sprache in der österreichischen Innenpolitik.

Tenor: Wer arm ist, ist selber schuld

Die dramatische und strukturell bedingte Ungleichheit mit weit geöffneter Schere zwischen Arbeitseinkommen und Einkommen aus Kapitalbesitz wird einfach negiert. Die Zunahme von prekärer Beschäftigung, fehlende Kinderbetreuungsplätze machen AlleinerzieherInnen eine Arbeit außer Haus unmöglich, Menschen über fünfzig bekommen keine Arbeit mehr, usw. Als Ergebnis ist der öffentliche Diskurs in eine sehr bedenkliche Radikalisierung abgerutscht.

Auch bei uns in Österreich steigen die Wohnkosten stark: Beispielsweise ermittelte die Arbeiterkammer 2016 in der Stadt Salzburg einen durchschnittlichen Mietpreis von 14,20 Euro, das sind 50 Prozent mehr als im Jahr 2000. Die allgemeine Teuerung betrug in diesem Zeitraum 35 Prozent – die Mieten stiegen also deutlich stärker, ein Hinweis auf Wohnungsspekulation. Dabei ist der Unterschied sogar noch höher als diese Zahlen zeigen: In der allgemeinen Teuerung sind ja auch die Mietkosten teilweise enthalten – ohne diese Mietkosten wäre die allgemeine Teuerung noch niedriger.

Die Wohnkosten und speziell die Mieten sind im sozialen Wohnbau deutlich niedriger als im privaten Wohnbau. Das führt dazu, dass immer mehr Länder das österreichische Beispiel als erstrebenswerte Leitlinie erkennen und Wohnungsbau vermehrt gemeinnützigen Bauträgern und Gemeinden übertragen. In Österreich hingegen gibt es offene Bemühungen, diesen Sektor der Wohnungswirtschaft zu schwächen und stattdessen kapitalkräftige Privatinvestoren in den Wohnungsbau zu holen.

Auch im Bestand sollen für Immobilieneigentümer höhere Erträge ermöglicht werden, wie beispielsweise durch mehr und höhere Lagezuschläge in Wien. Der Oberste Gerichtshof OGH hatte zwar genau das kürzlich in einem Erkenntnis 5 Ob 74/17v erschwert, allerdings wurden bereits Stimmen laut, im Interesse von Finanzinvestoren mit verfassungsgesetzlichen Regelungen dagegen vorzugehen.

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tags: armut, betteln, bettelverbot, eigentum, immobilien, miete, mietrecht, mrg, obdachlosigkeit, soziales, wohnbeihilfe, wohnkosten, wohnungslosigkeit, wohnblogAt

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Alois G. Auinger

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